Oft hört man, das Mittelalter sei finster gewesen und die Menschen hätten sich in grobe Kleidung und Felle gehüllt. Bei näherer Beschäftigung mit bildlicher und schriftlicher Überlieferung sowie mit Kleidungsstücken, die erhalten geblieben sind, wird deutlich, daß diese Aussage falsch ist. Aus Wolle gefertigte Über- und Obergewänder konnten etwa rot, blau, gelb oder auch grün sein. Die meist aus Pflanzen gewonnenen Färbemittel stammten entweder aus Mitteleuropa (z. B. Krapp: [Rubia tinctorum]: rot; Färberwaid [Isatis tinctoria]: blau; Färberwau [Reseda luteola] und Rinde des Apfelbaumes: gelb) oder wurden aus Südeuropa, Nordafrika oder Kleinasien importiert (etwa Indigo [gewonnen u. a. aus Indigofera tinctoria]: blau; Brasilholz oder Rotholz [Caesalpinia sappan]: rot; Färberdistel oder Saflor [Carthamus tinctorius]: gelb). Die Unterkleidung – vorwiegend aus Leinen – blieb ungefärbt. Neben Wolle und Leinen hat man auch die Verwendung von Hanf, Nessel und – bei höhergestellten Personen – von Seide und Baumwolle für Kleidungsstücke nachgewiesen.

 

Einige Kleidungsstücke wurden von Frauen und Männern gleichermaßen getragen. Unterschiede betrafen hauptsächlich die Länge der Gewänder: Unterhemd (hemd) und Tunika (cotte) konnten bei Männern auch knapp oberhalb der Knie enden, bei Frauen waren hemd und Kleid (cotte) mindestens bodenlang oder auch länger. Die Schnitte von Unter- und Oberkleidung beruhten meist auf einfachen geometrischen Formen (v. a. Rechtecke und Dreiecke). Ein nach gängiger Meinung ausschließlich Männern vorbehaltenes Kleidungsstück ist die Unterhose (bruoch); allerdings existiert in der linnenen Hose der Infantin Maria († 1235) zumindest ein Beleg für die Verwendung von Unterhosen durch weibliche Personen.

Kopfbedeckungen waren für Männer und Frauen obligat. Zur Grundausstattung zählte bei Männern die Bundhaube (goufe, auch coife), über der dann noch Hut, Kappe oder Gugel getragen werden konnte. Variantenreicher waren die Kopfbedeckungen der Frauen: sie bedeckten das Haar mit einfachen Kopftüchern, Hauben oder verschiedenen, mehr oder weniger aufwendigen Schleiertrachten. Offenes Haar trugen Mädchen und junge, unverheiratete Frauen.

 

Die Herstellung von Stoffen für Kleidung und anderen Gebrauch war aufwendig: Schafe mußten geschoren und das Vlies zum Spinnen vorbereitet werden; Flachs oder Hanf mußte man anbauen, ernten und in zahlreichen Schritten ebenfalls für den Spinnvorgang aufbereiten. Nach dem Spinnen konnte das Garn verwoben und der Stoff dann weiterverarbeitet werden.

 

Auch wenn die Mitglieder des Vereins die verwendeten Stoffe nicht selbst weben, so wird doch ein großer Teil der Textilien von uns mit im Mittelalter verwendeten Färbedrogen gefärbt. Alle zivilen Kleidungsstücke nähen wir von Hand mit z. T. selbst gesponnenem Garn oder Zwirn. Abgesehen davon üben wir im 13. Jahrhundert übliche textilbildende Techniken wie etwa Brettchenweben, Netzen, Nadelbinden und Sticken aus.

 

Bibliographie (in Auswahl):

Färben:

E. E. Ploss – M. Bruns, Ein Buch von alten Farben. Technologie der Textilfarben im Mittelalter mit einem Ausblick auf die festen Farben, München 61989.

H. Schweppe, Helmut, Handbuch der Naturfarbstoffe. Vorkommen, Verwendung, Nachweis, Hamburg 1993.

 

Kleidung:

C. Beckers-Dohlen, Die Gugel. Geschichte – Archäologie – Reenactment, Wald-Michelbach 2010.

E. Crowfoot – F. Pritchard – K. Staniland, Textiles and clothing, c.1150–c.1450 (Medieval finds from excavations in London 4), London 22001.

G. Egan – F. Pritchard, Dress accessories c.1150–c.1450 (Medieval finds from excavations in London 3), London 22002.

L. Fransen – A. Nørgaard – E. Østergård, Medieval garments reconstructed. Norse clothing patterns, Aarhus 2011.

R. M. Hirschberg, Landsässische Tracht im 13. Jahrhundert – eine Auswertung zeitgenössischer Bildquellen zur Rekonstruktion funktionaler bäuerlicher Alltagskleidung im Hochmittelalter (http://www.brandenburg1260.de/tracht-landsasse.pdf).

K. Kania, Die Gugel und ihre Trageweisen im Experiment, in: C. Endlich (Red.), Experimentelle Archäologie in Europa. Bilanz 2004, (Heft 3), Oldenburg 2004, 215–233.

K. Kania, Experimentelle Kostümkunde. Das Bußkleid der Heiligen Elisabeth in Rekonstruktion und Trageversuch, Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 33, 2005, 239–244.

K. Kania, Kleidung im Mittelalter. Materialien – Konstruktion – Nähtechnik. Ein Handbuch, Köln [u.a.] 2010.

J. Keupp, Mode im Mittelalter, Darmstadt 2011.

J. Kulick, Die Textil-Färberei im 13. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Mark Brandenburg (http://www.brandenburg1260.de/faerberei.html).

E. Østergård,: Woven into the earth. Textiles from Norse Greenland, Aarhus 22009.

N. Perschau, „... und einen wol gestalden huot“ – Kopfbedeckungen für Frauen im Deutschland des 13. Jahrhunderts (http://www.apud-angeron.de/pdf/Kopfbedeckung.pdf).

B. Purrucker, Hochmittelalterliche Bauernkleidung, Berlin 1998 (Sonderausgabe aus: Waffen- und Kostümkunde. Zeitschrift der Gesellschaft für historische Waffen- und Kostümkunde 1889/90).

M. Scott, Kleidung und Mode im Mittelalter, Stuttgart 2009.

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